Wiederladen

Kaum ein Thema, welches mehr "Zündstoff" bietet als das Wiederladen. Die Wahl der Hülsen ist dabei noch das kleinste Problem da diese doch oft durch die verwendete Waffe definiert wird. Viel schwieriger ist die Wahl des Geschosses, der Art und Menge der  Treibladung und natürlich auch die Frage des Zündhütchens. Alles in allem bietet  sich hier dem Schützen eine fast unendliche Möglichkeit von Kombinationen. In  langen Testreihen hat die Firma WM-Bullets daher eine Vielzahl von unterschiedlichen Ladedaten ermittelt, die  sich in der Praxis bewährt haben.

Um auch den Anfängern einen Einstig ins Wiederladen zu ermöglichen erklären  wir auf den folgenden Seiten die wichtigsten Begriffe. Natürlich dürfen auch "Profis" gerne dort ihr Wissen auffrischen.

Das Kalibrieren

Hierbei wird die vom Gasdruck beim Schuss aufgeweitete Hülse wieder in eine  Form gebracht, die ein erneutes Laden erst ermöglicht. Die Hersteller der  Matrizen müssen das Maß der Matrizen natürlich so wählen dass die damit  kalibrierten Patronen unter allen Umständen wieder zurück auf die gesetzlich festgelegten Maße gebrachte werden können - und das ist in den meisten normalen Fällen zu eng. Verwenden Sie eine dünnwandige Hülse wie z.B. Winchester, so werden Sie diese fast auf der gesamten Länge kalibrieren müssen, um dem neuen Geschoß darin einen festen Sitz zu geben. Bei allen normalen oder dickwandigeren Hülsen wäre das dann zuviel. Das gleiche gilt auch, wenn der Gasdruck der  Laborierung gar nicht so hoch war, dass die Hülse bis hinunter zum massiven  Bodenteil angeliedert hat. In diesen Fällen genügt es häufig, wenn die Kalibriermatrize so eingestellt wird, dass nur die obersten 2/3 der Hülse  kalibriert werden. Für das "wie viel" gibt es einen relativ einfachen Test: Bei  einer so hergestellten Patrone darf das gesetzte Geschoss nicht mit der Hand zurück in die Hülse gedrückt werden können - auf der anderen Seite sollte aber  auch nicht das Geschossende in der Hülse von außen zu sehen sein. Dieser sichtbare Wulst an der Hülse ist nicht nur ein kosmetisches Problem, sondern Sie  können auch davon ausgehen, dass dieses Geschoss nicht zentrisch in der Hülse sitzt. Diese zugegeben etwas zeitaufwendige Art seine Matrize einzustellen ist aber absolut notwendig, wenn es darum geht, präzise schiessende Munition herzustellen - und genau aus diesem Grund setzt man sich doch an die Lademaschine. Die hier gemachten Fehler lassen sich an anderer Stelle nicht wieder ausgleichen.

Das Aufweiten

Vor dem Setzen des Geschosses ist die Hülse leicht aufzuweiten, so dass ein  Mantelgeschoss ohne großen Kraftaufwand ca. 1,5 mm tief in die Hülse gesteckt  werden kann. Bei Bleigeschossen muss  sichergestellt sein, dass beim Setzvorgang kein Blei abgeschert wird. Weitet man  zuviel auf, bekommt das Geschoss zu wenig Halt durch die Hülse und es lässt sich auch nach dem Crimpen noch in die Hülse drücken - oder der aufgeweitete  Hülsenmund schabt schon in der Setzmatrize. In beiden Fällen muss die  Aufweit-Matrize zurückgestellt werden.

Anzündhütchen / Zündhütchen

Anzündhütchen ausstoßen:
Eigentlich eine völlig problemlose Sache. Aber es ist ratsam, diesen Schritt auch bei neuen oder entzündeten und im Tumbler gereinigten Hülsen durchzuführen. Dann ist garantiert, dass keine Bearbeitungsreste oder Poliergranulat-Krümel das Zündloch verstopfen und so eine sichere Zündung  gefährden könnten.

Anzündhütchen setzten:
Hier ist darauf zu achten, daß das Anzündhütchen gerade und so tief in die Zündglocke gedrückt wird, dass es ca 0,1 mm tiefer sitzt als der Hülsenboden. So ist sichergestellt, dass sich die Energie des Schlagbolzens sofort auf den Amboss überträgt und nicht damit verschwendet wird, den Zünder zuerst in die Zündglocke zu drücken. Andererseits sollte man auf dem Zünder keinen Abdruck des  Setzstempels sehen können. Das würde darauf hindeuten, dass mit zuviel Druck gesetzt wird oder das der Zünder nicht zu dem Hülsenmaterial passt. Bei zu  starkem Drücken des Anzündhütchens könnte auch der Amboss beschädigt und damit die Zündfähigkeit des Anzündhütchens stark herabgesetzt werden.

Hinweis:
Bei den auf dieser Website angegebenen Ladedaten/Laborierungen gibt es zwei verschiedene Durchmesser: "Small" oder "klein" mit 4,45 mm und "Large" oder "groß" mit 5,33 mm. Darüber hinaus geben die weiteren Bezeichnungen der Zünder den vom Hersteller zugedachten  Verwendungszweck an. Mit Pistol oder Rifle wird die Verwendung in Kurzwaffe oder  Langwaffe zugewiesen und mit der Bezeichnung Standard oder Magnum die Eignung für bestimmte Pulversorten.
Nach unseren Erfahrungen benötigen folgende Kurzwaffenpulver für einen gleichmäßigen Abbrand ein Magnumanzündhüchen: Hodgdon HS 6, Hodgdon HS 7, Hodgdon H 110, Hodgdon H 4227, Hercules Blue Dot, Hercules 2400, Accurate Arms  No. 9.

Winchester gibt für seine Large-Pistol-Zünder zwar den Verwendungszweck  Standard- und Magnum-Ladungen an, doch für die sichere Entzündung großer Mengen progressiver Pulver (Hodgdon H 110, Hodgdon H 4227 etc.) hat sich eigentlich nur der CCI 350 Large-Pistol-Magnum-Zünder bewährt.

Bei Revolvern mit überarbeiteten Abzügen, bei denen auch die Schlagenergie reduziert wurde, bieten sich besonders die Federal-Zündhütchen an, da diese die  höchste Zündwilligkeit aller auf dem Markt befindlichen Fabrikate aufweisen.

Neuerdings bietet auch die Firma Winchester Anzündhütchen ohne Nickelüberzug  an, was zu einer höheren Schlagempfindlichkeit und somit Zündwilligkeit beträgt.

Abkürzungen für Anzündhütchen:

SP - S Small Pistol Standard - (kleines Standardanzündhütchen für Kurzwaffen)
SP - M Small Pistol Magnum - (kleines Magnumanzündhütchen für Kurzwaffen)
SR - S Small Rifle Standard - (kleines Standardanzündhütchen für Langwaffen)
SR - M Small Rifle Magnum - (kleines Magnumanzündhütchen für Langwaffen)
LP - S Large Pistol Standard - (großes Standardanzündhütchen für Kurzwaffen)
LP - M Large Pistol Magnum - (großes Magnumanzündhütchen für Kurzwaffen)
LR - S Large Rifle Standard - (großes Standardanzündhütchen für Langwaffen)
LR - M Large Rifle Magnum - (großes Magnumanzündhütchen für Langwaffen)

Pulverfüllen

Bei diesem Schritt ist in zügig bedienten Mehr-Stationenpressen darauf zu achten, dass bei großen Ladedichten beim Umsetzen der Patrone kein Pulver "Herausgeschnippt" wird. Die ersten 2-3 Schüttungen werden nach dem Verstellen des Pulverfüllgerätes wieder zurück in den Pulverbehälter geschüttet, bevor man die neu eingestellte Menge mit der Waage kontrolliert und den Ladevorgang fortsetzt.

Dieser Arbeitsschritt ist notwendig, damit sich das Pulver im Dosiergerät setzen kann. Den gleichen Effekt erzielt man durch leichtes Klopfen am Füllzylinder des Messgerätes bei eingefülltem Pulver; damit kann man auch eine gleichmäßige Setzdichte im Pulverfüllgerät beschleunigen.

Geschoss setzen

Hier ist es wichtig, dass der Setzstempel in der Matrize zu dem verwendeten  Geschoss passt. Nach dem Setzen dürfen keine Abdrücke oder Markierungen durch  den Setzstempel auf dem Geschoss sichtbar sein. Ebenso ist die Einhaltung der Setztiefe während des Ladevorganges immer wieder zu kontrollieren. Reste vom Geschossfett etc. können dort Ablagerungen bilden.

Crimpen

Crimpen bedeutet ein Einkneifen des Hülsenmaterials im Bereich des Hülsenmundes bzw. -halses. In der Regel weisen dafür vorgesehene Geschoßarten eine so genannte Crimprille auf. Damit ist auch die Setztiefe dieses Geschosses  bereits vorgegeben. Je nach Stärke und Art des Crimpes (Kneifung des  Hülsenmundes) wird dem Geschoss ein entsprechend fester Halt in der Hülse gegeben, aber auch der Ausziehwiderstand des Geschosses entsprechend erhöht. Letzteres bedeutet, dass eine Erhöhung des Ausziehwiderstandes durch einen Crimp  den Gasdruck einer Patrone erhöht. Der Crimp ist nicht der wichtigste Faktor für  den korrekten Sitz des Geschosses in der Hülse. Für den festen Sitz und den  damit verbundenen Gasdruckaufbau sind genauso die vorher genannten Faktoren wie Kalibrieren und Aufweiten von Bedeutung.

Beim Crimpen wird unterschieden zwischen dem Friction Crimp, dem Taper Crimp und dem Roll Crimp.

Friction Crimp

  • Auch wenn der Ausdruck nicht sehr häufig verwendet wird, der Friction Crimp ist der weitesten verbreitete und in den meisten Fällen auch der  sinnvollste. Bei dieser Art zu Crimpen wird in dem letzten Bearbeitungsgang (also nach dem Geschoss-Setzen) der  ausgeweitete Hülsenmund nur an das Geschoss "gelegt", so dass die gesamte  Führungsfläche des Geschosses Kontakt/Reibung (in englisch = Friction) mit der Hülse hat. Auf diese Weise werden ca. 95% aller Fabrikpatronen gecrimpt. Die meisten Wiederlader machen das zwar genauso, doch bezeichnen es dann fälschlicherweise als Taper Crimp. Wichtigster  Einsatzbereich des Friction Crimp sind alle Pistolenpatronen, die den Verschlussabstand auf dem Hülsenmund bilden. Crimpt man hier zu stark, führt das im schlimmsten Fall dazu, dass die Patrone zu weit in das Patronenlager rutscht und sich der Zündung entzieht. Einen Friction-Crimp kann man als  separaten Arbeitsschritt gut mit einer sorgsam eingestellten Taper  Crimp-Matrize oder auf eine sehr komfortable Weise mit einer  Lee-Factory-Matrize erreichen. Doch Vorsicht: Der Kalibrier-Ring der Lee-Factory-Crimp-Matrize kann übermassige Bleigeschosse auch nachträglich in der Hülse auf Untermaß kalibrieren.  Hier sollte ein Geschoss nach dem Crimpen delaboriert und vermessen werden.

Taper Crimp

  • Bei diesem Crimp wird der ausgeweitete Hülsenmund nach dem  Geschosssetzen auf einer bestimmten Fläche vom Hülsenmund abwärts in das Geschoss hineingedrückt. Das natürlich nur in einem sehr geringen Maß. Wenn  man sich diesen Arbeitsschritt dann einmal vor Augen hält, müsste eigentlich klar sein, dass dieser Crimp für empfindliche Mantel- und Vollverkupferte Geschosse nicht der Ideale sein kann - es sei denn, sie haben eine Crimprille. Denn bei diesem Crimp "verbiegt" die Hülse die Führungsfläche  des Geschosses. Das Hauptanwendungsgebiet sind, neben allen Geschossen mit Crimprille, vor allem die wesentlich unempfindlicheren,gegossenen oder gepressten Bleigeschosse.  Eben da, wo ein leichtes Eindrücken des Geschosses die Präzision nicht  beeinflusst.

Roll Crimp

  • Bei dem Rollcrimp wird, wie der Name schon verrät, die Hülse in eine am  Geschoss vorgesehene Rille "gerollt". Von vielen wird dieser Crimp als "Hülsen Killer" verteufelt - doch richtig dosiert ist er absolut unentbehrlich für alle Magnum-Revolverpatronen. Vernünftig eingestellt sichert und fördert er bei den langsamen Magnumpulvern den für den  gleichmäßigen Abbrand nötigen Gasdruckaufbau und die damit verbundenen Präzision. Gerade bei schweren Geschossen in Kalibern ab .357 Magnum aufwärts, verhindert er darüber hinaus die "Selbst-Delaborierung" der  Patronen beim Schuss. Doch auch in den "normalen" Kalibern kann der  Rollcrimp sinnvoll eingesetzt werden, wenn es darum geht, bei manchen  Gebrauchsladungen mit mittelschnellen Pulvern den Gasdruckaufbau und somit auch die Präzision zu stabilisieren. Mit Matrizen wie dem Lee-Factory-Crimp lässt sich der Rollcrimp so genau einstellen, dass er die Lebensdauer der  Hülsen nicht negativ beeinflusst.

Bei 3-Stationen-Pressen, wie z.B. der "Lee 1000 Progressive", sollte das Setzen und Crimpen nur in einem Arbeitsgang geschehen, wenn ein Friction Crimp  verwendet wird. Bei Taper- oder Rollcrimp sollte der Crimp in einem separaten  Arbeitsgang angebracht werden, da der Hülsenmund schon in das Geschoss gedrückt wird, bevor das Geschoss die endgültige Position in der Hülse erreicht hat und  somit beschädigt wird. Verminderte Präzision und Patronen, die durch abgeschabte  Bleisplitter nicht mehr in das Patronenlager passen, sind die Folge.

Übrigens verlieren Hülsen natürlich über die Zeit an Federkraft und  Elastizität - sollten also die Geschosse auch nach dem Vollkalibrieren nicht mehr fest in der Hülse sitzen, ist es unter Umständen besser, sich von denselben  zu trennen. Ansonsten gilt auch bei dem Thema von Geschoss- und  Laufdurchmessern: Messen geht über Glauben!